Wenige, aber starke Erinnerungen hat der ehemalige Zivi Samuel Häfner von seinem Einsatz bei der Unwetterkatastrophe in Menznau. Gegensätze trafen aufeinander und ein Gemeinschaftsgefühl hielt Einzug. Am Ende kam «sogar so etwas wie Wehmut zum Abschied» auf, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler.
Ich muss ehrlich sein: Ich erinnere mich nicht mehr an wahnsinnig viel von meinem Katastrophen-Einsatz in Menznau. Da ich jedoch stets ein gutes Gefühl habe, wenn ich an diese drei Wochen im Sommer 2007 zurückdenke, will ich hier versuchen, das Wenige, was ich noch an Erinnerungen hervorkramen kann, aufzuschreiben.
Zunächst mal ist der Begriff des Katastrophen-Einsatzes für meine Zeit in Menznau wohl kaum zutreffend. In Tat und Wahrheit war die Katastrophe, nämlich grössere Überschwemmungen im ganzen Dorf, schon seit einiger Zeit vorbei. Auch aufgeräumt war eigentlich schon fast alles. Das hatten wohl die Zivis vor mir gemacht. Was aber während der Überschwemmungen auf der Strecke geblieben war, waren die täglichen Aufgaben der örtlichen Werkhofangestellten, die wir nun nachzuholen halfen. Dabei ging es vor allem um Arbeiten wie Hecken schneiden, mähen oder Strassenbeläge ausbessern. Diese Arbeiten waren allesamt sehr kurzweilig, und wir verstanden uns bestens mit den Angestellten der Gemeinde, die uns anleiteten.
Von Seiten der Gemeinde und ihrer Angestellten wurde uns immer das Gefühl vermittelt, dass man echt froh um unsere Anwesenheit sei. Sinnbildlich dafür ist Folgendes: Zwei von uns waren beim Wanderwegunterhalt eingeteilt. Die Regenfälle hatten auf Gemeindegebiet ganze Abschnitte von Wanderwegen zerstört. An einem oder zwei Tagen half auch ich aus; physisch war dies wohl die herausforderndste Arbeit, da sämtliches Werkzeug und Material zunächst angeschleppt werden musste. Wir machten den Wanderweg wieder passierbar, und drei Wochen nach dem Einsatz erhielt ich vom Wanderwegverantwortlichen eine handschriftliche Karte mit Foto, der sich für unseren Einsatz bedankte. Die Karte habe ich noch heute.
Das «Schöne» an Katastrophen-Einsätzen ist, dass man in einer Gruppe von Zivis arbeitet. Natürlich sind solche Gruppen keine Wahlgemeinschaften, doch hat das Zusammenleben zumindest in meinem Fall sehr gut geklappt. Untergebracht waren wir in der Zivilschutzanlage der Gemeinde. Wenn man nur zu viert oder fünft ist, sind Zivilschutzanlagen eigentlich ganz gemütlich: Die Massenschläge boten genug Platz, und mit den unbenutzten Matratzen liessen sich gemütliche Lounges für gemeinsame Filmabende bauen. Die gemeinsamen Mittag- und Abendessen im Gasthof «Lamm» trugen ihren Teil zum langsam, aber sicher aufkeimenden Gruppengefühl bei. Das ging so weit, dass sich dann (drei von uns waren exakt gleich lange in Menznau) sogar so etwas wie Wehmut zum Abschied breit machte. Man nahm sich vor, sich wieder zu sehen; doch das passierte natürlich nie.
Ich glaube, der Zivi-Einsatz in Menznau hat nicht nur die örtliche Gemeinde, die schwer von diesem Unwetter getroffen worden war, entlastet. Er hat gleichzeitig auch etwas zum Abbau von Vorurteilen beigetragen; und dies sowohl auf Seiten der vorwiegend urbanen Zivis wie auch auf Seiten der Dorfbevölkerung. Dazu haben viele kurzweilige und amüsante Gespräche im Menznauer Werkhof sowie im «Lamm» beigetragen. Die Dorfbevölkerung weiss nun, dass nicht alle Zivis «Linke» sind (oder zumindest nicht mehr), und wir Zivis haben gelernt, dass ein gewisser Konservativismus niemals mit fehlender menschlicher Offenheit gleichgesetzt werden darf.
Autor
Samuel Häfner, Jahrgang 1982, wurde 2003 Zivi. Beruflich ist er Wirtschaftswissenschaftler und forscht derzeit an der Duke University in Durham (USA).
Letzte Änderung 10.03.2020