«Meine Zivildiensteinsätze leiste ich auf der Alp», hält Zivi Mathias Herzog mit Überzeugung fest. Davon profitieren die Älpler, die Unterstützung bei der täglichen, harten Arbeit erhalten, und auch die Bauern, die ihre Tiere auf die Alp geben. Darüber hinaus freut es die Wanderer, die auf gepflegten Wegen und durch blühende Alpwiesen laufen können – und den Zivi selbst: «Es gibt immer wieder spannende Erlebnisse, die ich gerne mit ihnen teile und wodurch sie vielleicht für einen kurzen Moment in den Alltag des Alplebens eintauchen.»
Einsatz für die Allgemeinheit anstelle des Militärdienstes
Nach nur fünf Wochen musste ich mir eingestehen, dass der Militärdienst überhaupt nichts für mich ist. Ich stellte das Gesuch um Zulassung zum Zivildienst. Von Kollegen wusste ich, dass dieser nicht nur in sozialen Institutionen sondern auch in der Landwirtschaft absolviert werden kann. Ich war mir bewusst, dass ich 1,5-mal so viele Tage leisten muss wie im Militär, doch dafür konnte ich etwas Sinnvolles in meiner Heimatregion Nidwalden tun. Da ich in Niederrickenbach aufgewachsen bin und im Sommer sehr oft auf den nahegelegenen Alpen gearbeitet hatte, kannte ich die Alparbeiten bereits.
Der Einsatz auf der Alp Widderen Sinsgäu oberhalb von Oberrickenbach gefällt mir sehr. Ohne meine Unterstützung wäre es schwer für das Älplerehepaar, die notwendigen Arbeiten zu verrichten. Hauptsächlich helfe ich in der Pflege der Weide, beim Zäunen und Wegausbessern und trage zur Artenvielfalt auf der Alp bei. Einige Erlebnisse sind mir besonders in Erinnerung.
Gewitter mit grossen Folgen
In den letzten Jahren gewitterte es viel stärker als noch in meiner Kindheit und die Gewitter haben auch grössere Schäden zur Folge. An einem Abend im Sommer 2014 sahen wir dunkle Wolken auf das Sinsgäu zuziehen und bald darauf folgte ein heftiges Gewitter mit starken Regengüssen. Als das Gewitter vorüber war, mussten wir leider feststellen, dass hinter der Hütte ein Erdrutsch ausgelöst worden war. Dieser hatte den Bach, das beste Weideland und den Wanderweg verschüttet. So mussten wir in den Folgetagen den Hang mit Pfählen stabilisieren und den Wanderweg wieder instand stellen. Danach entfernten wir mit dem Bagger die Steine vom Weideland und säuberten das Land, damit das Vieh wieder weiden konnte. Anschliessend konnte der Zaun für die Tiere wieder erstellt werden, wobei wir dazu noch neue Hagpfähle anfertigen mussten. Zuletzt hoben wir ein neues Bachbett aus, damit der Bach bei starkem Regen wieder seinen Lauf nehmen kann.
Erlebnisse bei der Weidenpflege
Auf einem Steilhang haben wir Wege ausgeholzt damit die Rinder das Wasser überhaupt finden. Der Hang war total verbuscht und wir kamen fast selber nicht mehr durch. Die grösseren Steine haben wir dann auch noch gelöst, damit die Rinder keinen Steinschlag verursachen. Was ich oft mache, ist Unkraut entfernen. Beim Entfernen der «Placken» (Ampfer) ist es so: Man hat sie entfernt, und schon sind sie wieder da. Da verzweifelt man schon manchmal. Die Arbeit scheint nie aufzuhören. Aber aufgeben? Nein... So anstrengend diese Arbeit auch ist, sie gehört dazu. Abends, wenn ich müde ins Bett sinke, denke ich gerne daran zurück.
Fatale Folgen einer Umzäunung
Leider gehören zum Alpleben auch traurige Erlebnisse. Als wir das Vieh mal wieder von der einen in die andere Weide trieben, brannte eine Kuh mit einem Kalb durch. Die Kuh rannte mit dem Kalb am Hag hin und her und riss ungefähr sieben Pfosten ab, bevor sie auf eine Felsplatte hinaussprang. Leider konnten wir nicht verhindern, dass die Kuh von der Felsplatte fiel. Dabei schlug sie beide Hörner ab und brach sich den Rücken. Das Kalb sprang der Kuh hinterher, blieb aber zum Glück unverletzt. Für die Kuh gab es leider keine Hilfe mehr, der Wildhüter musste sie von ihrem Leiden erlösen. Da beide Tiere in unwegsamem Gelände waren, musste Koni den Helikopter aufbieten, um sie hinauszufliegen.
Neuentdeckte Faszination für wilde Tiere
Koni ist ein begeisterter Jäger. Deshalb holen wir nach Feierabend die Feldstecher und Fernrohre aus der Hütte und beobachten das Wild auf den Felsen auf der anderen Seite des Tales. Es fasziniert mich immer wieder, wie das Steinwild und die Gämsen in den Felsen leben und wie sie in Felswänden gehen können, in denen man zu Fuss keine Chance hätte. Die Begeisterung von Koni steckt mich an, so dass ich mir überlege, in naher Zukunft die Jagdprüfung zu absolvieren.
Ein schönes Erlebnis war auch, als ich beim Zäunen ein Hirschhorn fand. Man muss sich vorstellen, dass es sehr anstrengend ist, alle Weiden zu umzäunen und die abertausend Hagpfosten zu setzen. Koni ermunterte mich, das zweite Horn zu suchen. Als ich mich umdrehte, lag da tatsächlich das zweite. Diese beiden Hörner habe ich auf einen künstlichen Hirschschädel geschraubt, nun hängen sie in meiner Wohnung.
Autor
Mathias Herzog aus Beromünster ist 27 Jahre alt. Er hat in den vergangenen drei Alpsommern Einsätze auf der Alp Widderen geleistet.
Letzte Änderung 10.03.2020